Zwei Hamlets tanzen über Sphärenklänge
Glocken läuten. Der König ist tot. Türen öffnen sich zu tiefgründigen Sphärenklängen. Fünf Tanzende, davon zwei Hamlets. Die moderne Inszenierung des beliebten Shakespearestoffes weiß im Lessingtheater zu gefallen.
Das Bühnenbild besteht aus Türen, senkrecht übereinander als hintergründige Wand im Hintergrund wirkend, öffnen sie sich, spucken die Tanzenden auf die Bühne, nehmen sie nach ihrem Weg über den schwarzen Theaterboden wieder auf. Der komplexe Stoff des Hamlet ist reduziert. Im Personal. In der Kulisse. Im Spiel. Das Tanztheater reduziert die Handlung auf fließende, ästhetische Bewegungen, auf Pantomime. Türen in der Wand werden in das Tänzerische einbezogen, während die Farben der teils fließenden Kostüme Bewegungen und Emotionen aufnehmen. Ein Echolot dringt durch sinusartige Wellen bedrohlichen Rauschens.
Zwischendurch eine in sich ruhende Klaviermelodie über pochendem, elektronischen Herzschlag. Dann wieder sich steigernde Rhythmen. Das mal mehr, mal weniger laute Drumset-Stakkato verstärkt Bedrohliches. Das wunderbare Klangbett, das Komponist Albrecht Ziegler geschaffen hat, schafft Atmosphäre, die, so die Choreografin, jedoch keine eigentliche Melodie habe. „Die Körper sind die Melodie“, zitiert Dramaturg Samuel C. Zinsli sie im Programmheft zum Stück. Beide greifen hervorragend ineinander, ohne das stimmungsvolle Klangbett verlöre der Tanz an Darstellungskraft.
Herausragend ist vor allem das Doppelspiel von Antonio Carta und Sami Similä als innerlich zerrissener Hamlet. Nun ist Tanz schon immer ein enorm emotionaler Ausdruck. Das Ensemble reduziert die Tragödie des Hamlet auf die Emotionen der Protagonisten. Gleich den Noten einer Partitur perlen die Tanzenden des 12H Dance Collective über den Boden, schwebend, leichtfüßig, dann wieder energisch, mit allerlei akrobatischen Bewegungen. Claudius (David Pallant) Verrat, Ophelias (Maria Pasadaki) Verzweiflung, Gertrudes (Camille Jackson) Versuche zu vermitteln und schließlich die Zerrissenheit des Hamlet. Großartig gefühlvoll getanzt. Brilliant die beiden Hamlets: Was er tut, was er erzählt, seine inneren Dialoge und sein Kampf zwischen dem Bewussten und Unbewussten ist fein gespielt. Mitunter wird nicht deutlich, welcher Hamlet welcher ist. Das ist gewollt. Die Figuren verschmelzen, kämpfen miteinander, trennen sich. Eine überaus feine und gleichzeitig moderne Interpretation des klassischen Tragödienstoffes. Schlussbild. Applaus. Das Stück wurde vom Theater für Niedersachsen inszeniert und aufgeführt.
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