Ein Tattoo ist mehr als Farbe unter der Haut
Die Wolfenbütteler Tattoo-Szene ist bunt und vielfältig. Als körpernahe Dienstleistungen waren sie während der Lockdownzeiten besonders gebeutelt. Doch die meisten Kunden bleiben ihren Studios treu.
„Wenn es die Farben nicht mehr geben sollte, tätowiere ich eben schwarzweiß weiter“
Wir besuchen Wolfenbüttels ältestes Tattoostudio. Tom und Irene Krull betreiben seit 1994 in der Juliusstraße „Bizarr-Tattoo“. „Die Gründung haben damals viele als Totgeburt gesehen. Pustekuchen“, lacht Irene. Bei unserem Besuch lässt sich Anja Baumgarten eine Eule auf den Unterarm tätowieren. Es ist nicht ihr erstes Bild auf der Haut. „Ich finde Eulen toll“, sagt sie. Andere Motive hätten durchaus eine tiefere Bedeutung. Das Motiv wird einfarbig ausgeführt. „Ich mag Tattoos in schwarzweiß“, sagt Tom. „Wenn es die Farben nicht mehr geben sollte, tätowiere ich eben schwarzweiß weiter“, erzählt er. Hintergrund ist die REACH-Verordnung der EU, nach der ab Januar bestimmte Inhaltsstoffe verboten würden, die bisher für Tattoos verwendet werden. Bisher gebe es nur eine Firma, die konforme Farben herstelle, mehr als schwarzweiß gebe es aber noch nicht, meint Tom.
Schmerz gehört dazu
Die von ihren Kunden gewünschten Motive sind so bunt und vielfältig wie das Leben. Von Modemotiven oder Tattoos, nur um ein Tattoo zu haben und hip zu sein, raten die beiden allerdings ab. „Ein Tattoo ist mehr, als Farbe unter die Haut bringen“, so Tom. Der Schmerz gehöre dazu, wenn mit der Tätowier-Maschine mit vielen kleinen Nadeln Farbe unter die obersten Hautschichten appliziert werde. „Das hat fast etwas Rituelles“, sagt Tom. Er selbst ist durch das selbst tätowiert werden zum Beruf gekommen. „Ich fand das faszinierend“, sagt er.
Für das Umsetzen der Motive braucht es künstlerische Begabung
Ohne eine gewisse künstlerische Begabung geht es nicht. „Manchmal bekommen wir nur eine Skizze vom Kunden und müssen daraus dann ein schönes Motiv machen“, sagt er. Gezeichnet habe er immer schon gerne. Die Eule von Baumgarten habe er auch gezeichnet. Zunächst auf transparentem Pauspapier. Das Motiv wird damit auf der Haut platziert und in die richtige Position gebracht und ist quasi die Vorzeichnung für die spätere Arbeit. Eine vernünftige Beratung und vor allem sorgfältiges und sauberes Arbeiten gehören unabdingbar zum Job.
Piercings mit Betäubung: Irene Krull ist zugelassene Heilpraktikerin
Viele Tatto-Anbieter haben auch Piercings im Angebot. Irene Krull hat sich weitergebildet, ist zugelassene Heilpraktikerin. „Ich darf deshalb Piercings auch mit Betäubung anbieten“, erklärt sie. Irene zeigt ihren Unterarm. Den Namen ihrer Lieblingsband Lynyrd Skynyrd hat sie sich dort farbig tätowieren lassen. In Farbe. Die Outlines, so werden die Konturen genannt, in dunkel. Die Innenbereiche jeweils bunt. „Ohne Farbe wirkt vieles einfach nicht“, sagt sie dazu. „Oder kannst du dir eine rote Rose in schwarz weiß vorstellen“, fragt sie mich. Wir sind uns einig: Viele Motive bekommen einfarbig eine ganz andere Bedeutung. Die meisten Kunden seien dem Studio treu geblieben. Im Augenblick würden sich die Termine häufen, vor allem wegen der Unsicherheit der Kunden mit Blick auf Tattoo-Farben.
Tierpsychologin mit Wolfspfote
Bei Ink Therapy in der Fußgängerzone sitzt seit fünf Stunden Tanja Uhle. Die Tierpsychologin lässt sich bei unserem Besuch gerade eine Wolfspfote auf dem Arm tätowieren und ein begonnenes Motiv komplettieren. „Das Bild steht für meine Familie und für meinen Beruf“, sagt sie. Es füllt inzwischen den gesamten Unterarm aus. Geht es um die Tattoofarben macht sich Studioinhaber Tibor Nagy wenig Sorgen um die Zukunft. Tattoostudios müssten ohnehin schon viele sehr strenge Regeln einhalten, berichtet er. Die Verordnung, die die Tattoofarben betrifft, sei die neueste. Auch hier fragen viele Kunden, ob es weitergehe und sie sch noch tätowieren lassen können. „Einige Hersteller haben sich bereits gemeldet, dass es Lösungen geben wird. Man muss allerdings mit längeren Wartezeiten rechnen“, berichtet er. Auch Nagy gibt sich zuversichtlich. „Keine Sorge, wir machen auf jeden Fall weiter“, sagt er.
Die Besucherzahlen auf Conventions ziehen wieder an
Einige Tätowierer, auch aus der Region, können geneigte Besucher (Stand Anfang November) bei der Tattoo-Convention am 4. und 5. Dezember in der Lindenhalle kennenlernen. Wir telefonieren mit Veranstalter Thorsten Krekeler. „Wir planen mit Livebands an beiden Tagen, hinzu kommen Artistik-Showacts“ berichtet er zur Messe. Ansonsten gebe es ein buntes Programm rund um das Thema Tätowieren. Sorgen bereite ihm durchaus die bereits erwähnte EU-Verordnung. „Hier muss es eine Übergangslösung für die Tätowierer geben“, sagt Krekeler. Die Branche müsse eine Chance haben, neue Farben zu entwickeln. Pessimistisch sei er trotzdem nicht. „Die Besucherzahlen auf unseren Conventions ziehen wieder an“, berichtet er am Telefon. Das stimme positiv.
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