Lucklumer Gespräche: Wie gelingt Kulturarbeit in ländlichen Räumen?
Rund 80 Gäste nahmen an den 4. Lucklumer Gesprächen am 7. August 2024 auf dem Rittergut Lucklum teil. Im repräsentativen Rittersaal des Gutshauses ging es um neue Impulse zur aktivierenden Kulturarbeit. Dabei geht es um die Frage, wie Dörfer ihre lokalen Gemeinschaften durch beteiligungsorientierte Kulturvorhaben langfristig stärken können. Dieser Frage gingen Kulturschaffende, Kulturinteressierte, Akteure aus Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaftsförderung, Stiftungslandschaft, Haupt- und Ehrenamt nach. Hintergrund ist das Landkreisprojekt „Denk Dein Dorf… und darüber hinaus!“ im Rahmen des Bundesförderprogramms „Aller.Land“. Der Landkreis Wolfenbüttel und Stiftung Zukunftsfonds Asse möchten so neue Allianzen zwischen Kultur und Demokratiearbeit, politischer Bildung und Regionalentwicklung fördern und beteiligungsorientierte Kulturvorhaben stärken.
Landrätin Christiana Steinbrügge führte in das Thema ein: Zwar gebe es unterschiedliche Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land, aber „am Ende geht es darum, was die Menschen in ihrem Leben für gut und wichtig halten“, so die Landrätin. Das zeige auch der aktuelle Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung, nachdem die Menschen im Landkreis Wolfenbüttel „überdurchschnittlich zufrieden“ mit ihrer Lebenssituation sind.
Kultur als Katalysator
„Projekte der Dorfgemeinschaft wie gemeinsam organisierte Kulturveranstaltungen bereichern das Dorfleben. Nachbarschaftsnetzwerke unterstützen sich gegenseitig bei alltäglichen Aufgaben. Traditionell tut ein vielfältiges Vereinsleben ein Übriges. Es geht um Kultur im Dorf und um eine Kultur des Dorfes als Ort der Entwicklung von neuen Ideen, als Ort der Gemeinschaft und gelebter Demokratie“, sagte Steinbrügge. „Kultur – verstanden in einem weiten Sinne – ist ein bewährter Katalysator auch für weitere gesellschaftliche Entwicklungen. Kultur schafft eben Veränderung.“
Daher beteiligt sich der Landkreis zusammen mit den EU-geförderten LEADER-Regionen Elm-Schunter und Nördliches Harzvorland am Bundesprojekt „Aller.Land“. Mehrere Orte sind bereits mitten im Projekt: Lehre im Landkreis Helmstedt sowie Schandelah und Dettum, Groß und Klein Dahlum, Remlingen und Groß und Klein Elbe im Landkreis Wolfenbüttel. Die erste Projektphase geht bis Mitte 2025. Die Förderung ermöglicht es, diese Dörfer durch Beratung und Netzwerkformate bei der Entwicklung und Umsetzung eigener Ideen und Projekte zu unterstützen.
Kulturarbeit ist Beziehungsarbeit
Wie Kultur in Orten des ländlichen Raums Veränderung schaffen kann, und vor allem mit und von den Menschen vor Ort umgesetzt wird, wurde mit zwei Impulsen aus Wissenschaft und Kulturpraxis aufgezeigt.
Dr. Doreen Götzky, Museumsleiterin des Kreismuseums Peine, berichtete aus ihrer Arbeit als Kulturwissenschaftlerin. Auch sie berichtet in ihrem Vortrag, dass ein reichhaltiges Kultur- und Vereinsleben als Ausdruck einer stabilen Gemeinschaft Dörfer lebendig hält. Fehlten eine Identifikation mit dem Dorf – Stichwort Schlafdörfer – und auch wichtige Infrastruktur, könne Kultur allein diese Dörfer nicht retten.
Kulturprojekte sind Beziehungsaarbeit
Kulturprojekte benötigen einige Voraussetzungen, wenn sie lange und nachhaltig wirken sollen. Vor allem seien sie Beziehungsarbeit – es gelte, die Menschen vor Ort mitzunehmen, Vereine oder Feuerwehren einzubinden, und ihnen Gestaltungsräume aufzuzeigen. Für den Erfolg brauche es einen starken regionalen Bezug, also keine von außen angetragenen Projekte, und vor allem Menschen, die als „Kümmerer“ die Arbeit vorantreiben. Diese Funktion einer zentralen Anlaufstelle sei nicht allein ehrenamtlich zu leisten: „Das Ehrenamt braucht das Hauptamt“, so Götzky.
In einem anschließenden, von Saskia Hoog moderierten, Gespräch mit Doreen Götzky und Professorin Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss, Direktorin der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, wurde erörtert, was aktivierende Kulturarbeit in ländlichen Räumen bewirken kann.
Reinwand-Weiss betonte, dass die Bundesakademie über ihre Angebote Menschen dazu befähige, Kulturarbeit zu gestalten und in die Dörfer zu bringen. Wichtig sei es, in Menschen und Brückenbauer zu investieren, um Kulturprojekte vor Ort zu unterstützen – am besten durch hauptamtliche Kümmerer und Netzwerker. Dafür sollte mehr Geld bereitstehen.
Götzky betonte, dass Fördermittelberatung auf kommunaler Ebene wichtig sei, Interessierte müssten wissen, welche Förderungen es gibt und wo man sie abrufen kann. Auch sie sprach sich dafür aus, Kommunen finanziell zu stärken, damit sie ihre Aufgaben, auch in der Kulturarbeit, aktiv wahrnehmen können.
Ein Beispiel aus der Praxis im Peiner Land gab Sven Rohde. 2021 gründete er mit anderen den wow!CLUB in Ilsede. Ende August werde das dreijährige Bestehen gefeiert. In der Zeit sei bereits viel passiert und der Verein in seiner Mitgliederzahl gewachsen. Der Verein setze auf eine emotionale Ansprache, auch über Social Media, und setze Kulturprojekte um, die sich mit dem Begriff der Heimat auseinandersetzen. Orte und Emotionen gehören zusammen, so Rohde. So geht der Verein der Geschichte Ilsedes als ehemaligen Stahlstandort nach, ein Wasserturm der alten Hütte etwa wird als Kulturort bespielt.
Für den künstlerischen Impuls sorgte die Musikerin und Theaterregisseurin Bernadette La Hengst, die von eigenen Kulturprojekten im ländlichen Raum berichtete, die trotz Strukturwandel, Abwanderung und Leerstand gemeinsam mit den Menschen vor Ort positive Impulse durch Musik setzen. Zwei Beispiele, die im Rahmen solcher Projekte entstanden sind, konnte das Publikum live erleben.
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