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„Wir müssen die Herzen der Menschen erreichen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.“

Veröffentlicht am | von Redaktion
Bürgermeister Detlef Kaatz (von linkes) mit Lucette Malbecq-Cloizeau und Yvonne Salzmann. Foto: BLSK | Mandy Afonichev-Kuempel

Am ehemaligen KZ Schandelah-Wohld wurde in der vergangenen Woche zu einer Gedenkfeier mit Kranzniederlegung geladen. In diesem Rahmen wurde auch das Projekt „Glöckchenbaum“ der Schandelaher Künstlerin Yvonne Salzmann eingeweiht – an jenem Baum, den der ehemalige Häftling Victor Malbecq nach Kriegsende an jenem Ort pflanzte.

Es ist fast windstill am Tag der Gedenkfeier am ehemaligen Konzentrationslager Schandelah-Wohld, einer Außenstelle des damaligen KZ Neuengamme. Doch sowohl bei der Installation, als auch an den Folgetagen, erklangen die Glöckchen. 174 Stück sind es – für jedes Opfer, dessen Name bekannt ist.

„In den vergangenen Tagen haben schon viele Menschen angehalten, haben dem Klang gelauscht und sich erkundigt, was es mit dem Vorhaben auf sich hat“, erläutert Yvonne Salzmann. Die Menschen seien dadurch ins Gespräch gekommen. „Es geht darum, das Gedenken über eine Sinneserfahrung anzuregen – und damit ein Zeichen zu setzen.“ Etwa 800 Gefangene mussten damals unter unmenschlichen Bedingungen in Schandelah-Wohld Ölschiefer abbauen – mehr als 200 verloren an diesem Ort ihr Leben. Die Künstlerin dazu: „Diese Menschen sollen nicht nur anonyme Zahlen in der Geschichte sein. Sie alle hatten Namen, Leben, Geschichten.“ Diese Namen, sie stehen nun auf den Glöckchen des Baumes, den der ehemalige Häftling Victor Malbecq nach Kriegsende an der Gedenkstätte pflanzte.

Kaatz: „Der Glöckchenbaum ist ein Symbol des Miteinanders“


Gloeckchen 06 c AfonichevJede der 174 Glocken trägt den Namen eines Opfers.Unter den Gästen der Gedenkfeier war auch Lucette Malbecq-Cloizeau, die 97-jährige Witwe von Victor Malbecq. Auch sie hängte gemeinsam mit Salzmann, Cremlingens Bürgermeister Detlef Kaatz und Landrätin Christiana Steinbrügge symbolisch Glöckchen mit an den Baum. „Lange Zeit Unsagbares scheint heute wieder sagbar zu werden“, so Steinbrügge. „Wir müssen die Herzen der Menschen erreichen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.“ Das Herz der Bürger:innen in Schandelah und Region hat Salzmann mit ihrem Projekt jedenfalls bereits erreicht. Viele Bürger:innen spendeten für den Glöckchenbaum, damit das Vorhaben realisiert werden konnte. Gemeinsam mit Freiwilligen der Jugendfeuerwehr Schandelah wurden die Glöckchen indes installiert – der Leiterwagen kam aus Lehre. „Der Glöckchenbaum ist jetzt schon ein Symbol des Miteinanders“, bekräftigte Bürgermeister Kaatz.

Finanzielle Unterstützung erfuhr Salzmann auch von der Braunschweigischen Landessparkasse, der Kaatz in seiner Ansprache bei der Gedenkfeier mit warmen Worten dankte: „Mit Ihrem Engagement zeigen Sie, wie wichtig es Ihnen ist im gesamten Braunschweiger Land unterwegs zu sein. Im Namen der Gemeinde Cremlingen möchte ich mich herzlich bei Ihnen bedanken.“ Auch Dr. Diethelm Krause-Hotopp, der vor ein paar Jahren ein Buch über das ehemalige KZ Schandelah-Wohld veröffentlichte, half der Künstlerin bei der Realisierung: Er ermittelte in einer aufwendigen Recherche die Namen von 174 Opfern aus 15 unterschiedlichen Ländern. Er erinnerte in seinem Vortrag bei der Gedenkfeier an mahnende Worte von Victor Malbecq: Es sei wichtig, sich über Grenzen hinweg die Hand zu reichen und die Freundschaft der Völker zu pflegen. Man müsste einstehen für nicht weniger als ein „Europa der Menschlichkeit“.

Viele junge Menschen beteiligten sich am Glöckchenbaum

Schuetz 12 c AfonichevHelene Römheld und Marcus Schütz verlasen die Namen der Opfer.Bei der Gedenkfeier, der unter anderem auch Marc Kenens (Vizepräsident der Amicale Neuengamme Belgique) und Dr. Oliver von Wrochem (Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten) beiwohnten, verlasen die beiden Schüler:innen Helene Römheld und Marcus Schütz die Namen der 174 (bekannten) Opfer des KZ Schandelah-Wohld. An der Glöckchenproduktion haben indes Marcus Schütz, Liann Rudolph und Julian Bozella aus der Ausbildungswerkstatt von Volkswagen in Wolfsburg mitgearbeitet. „Ich finde es toll, wie viele junge Menschen am Glöckchenbaum mitgewirkt haben“, fügt Salzmann hinzu. Über das Projekt soll nun ein Film entstehen, der auch in der Arbeit mit Schulklassen eingesetzt werden soll. Die Glöckchen selbst hängen weiterhin an der Eiche, die Victor Malbecq damals pflanzte. Sie sollen aufmerksam machen, erinnern, mahnen, zum Gedenken einladen – und vor allem: sie geben den Opfern, auf neue Weise, eine Stimme.

Weitere Informationen zum KZ Schandelah-Wohld gibt es auf /www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussenlagerliste/schandelah/ oder www.geopark-hblo.de/elementor-8714/. Details zur Künstlerin Yvonne Salzmann und ihren Projekten sind auf www.salzmann-photographie.de zu finden.

 

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