Metalheads feiern fröhliches Wiedersehen an den Gegensteinen
Das Rockharz-Festival kann einen gelungenen Restart verbuchen. Ob Metal-Frühsport mit April Art, überbordender Schwachsinn mit Knorkator oder Gothic Rock mit ASP. Die Fans feiern ihr Festival nach zwei Jahren Abstinenz ausgelassen.
Opener freuen sich über viel Publikum
Dieses Rockharz-Festival ist gefühlt anders. Im Dritten Jahr nach der 2019-er Ausgabe startet des Festival mit einem vollständigen Veranstaltungstag mehr als sonst auf dem verschlafenen Verkehrslandeplatz unweit von Ballenstedt und mit Blick auf die legendäre Teufelsmauer. In die Spannung auf das Lieblingsfestival vieler Besucher mischt sich die freudige Erwartung, endlich wieder gemeinsam mit Metalfreund:innen aus der ganzen Republik und weit darüber hinaus feiern zu können. Über 22000 sind es in diesem Jahr. Auch die Opener-Bands aller Festivaltage dürfen sich freuen, tummeln sich doch im Infield sowohl vor der Rock- als auch der Darkstage bereits zu früher Stunde mehr Besucher:innen als in den letzten Jahren üblich. Viel mehr. Das macht es den ersten Bands des Tages leicht, auf der Bühne zu performen, im Gegenzug gibt es weniger Quatschaktionen auf dem Campground zu erleben, auf dem sich Zelt an Zelt, Fahrzeug an Fahrzeug reihen.
Ausverkauft: Fans halten Festival die Treue
„Ihr seid die geilsten“, ruft Veranstalter Thorsten Kohlrausch zum Festivalabschluss vor der Bühne. Zirka 400 Menschen haben für die große Wiedersehensfeier vor und hinter den Kulissen gearbeitet, erzählt er. Die Atmosphäre ist gewohnt freundlich und familiär. Ausverkauft? Das sei nicht selbstverständlich nach den letzten Jahren. Umso mehr wird vor allem entspannt und ausgelassen bereits zu früher Stunde an allen Festivaltagen vor den beiden Bühnen gefeiert. Auf diesen tummeln sich mehr als 50 Bands. An dieser Stelle nur ein subjektiver Ausschnitt.
Rock’n’Roll Frühsport mit April Art
Das volle Brett gibt es bei April Art. Die hessische Metalgang um Frontfrau Lisa-Marie Watz, allesamt gänzlich in rot, rocken, was Stimme und Instrumente hergeben. Das ist viel. Watz performt mit rauer Stimme und hohem Körpereinsatz, fordert das Publikum zum „Metal-Frühsport“ auf. Das lässt sich nicht zweimal zum Springen und zur Circle-Pit-Eskalation auffordern. Die Formation ist übrigens nicht die einzige Band, die angesichts des Krieges in der Ukraine eine politische Botschaft anbringt: Für eine friedliche Zukunft. Die Band ist ein echter Gewinn für das Festival und dürfte nach ihrem engagierten Auftritt den einen oder anderen Fan mehr gewonnen haben.
Fröhlicher Blödsinn von der meisten Band der Welt
Die Rede ist hier, natürlich, von Knorkator. Die Band rockt und albert sich durch ein hochenergetisches einstündiges Best-Of-Set. Ein besonderes Highlight: Zu „Ding inne Schnauze“ und „Weg nach unten“ steht Agneta, Tochter von Frontmann Stumpen auf der Bühne. Mit glasklare Stimme meistert sie ihren Part bravourös. Ebenso glasklar: Im Infield geht bei Knorkator die Post ab. Gefühlt rauschen im Sekundentakt Crowdsurfer:innen auf den Graben vor der Bühne los. Schwerstarbeit für die „Grabenschlampen“, die wohl „meiste Grabensecurity der Welt“, die ihren Job hervorragend meistern.
Jinjer – Peace for Ukraine
Ohne politische Botschaften geht es notwendigerweise nicht, als das ukrainische Quartett vor einem riesigen blaugelben Peace-Zeichen auf die Bühne kommt. Eine Sondergenehmigung verhalf den Ukrainern dazu, ihre Festivalshows zu spielen. Die Band um Frontfrau Tatiana Shmayluk liefert kompromisslos ab. Brachiale Gitarrenwände, heftiges Growling und überraschender klarer Gesang wechseln sich ab und transportieren eine Energie, die vom Publikum mit mächtigem Applaus gefeiert wird.
Das schwarze Blut fließt immer noch
Nun, der Schreiber dieser Zeilen ist seit vielen Jahren bekennender ASP-Fan. (Fast) ohne die üblichen Zwischenmoderationen präsentieren die Frankfurter Gothic-Rocker um Frontman Alexander „ASP“ Frank Spreng einen einstündigen Parforceritt durch das Ouevre der Band. Von den Fans geliebte Stücke des Schmetterlings-Zyklus und der Krabat-Reihe finden sich ebenso in der Setlist wie Material des neueren Fremder-Zyklus. „Schwarzes Blut“ und vor allem die ewige ASP-Hymne „ich will brennen“ werden vor der Bühne enthusiastisch gefeiert.
Accept können es immer noch
Nein, die Headline für diesen Abschnitt ist in keiner Weise despektierlich gemeint. Das Bands auch nach einigen Jahrzehnten immer noch agil und volles Brett auf der Bühne unterwegs sein können, zeigen Accept als Headliner des letzten Festivalabends mehr als deutlich. Aus der Anfangsbesetzung, das war immerhin schon Anfang der Siebziger, zaubert der Wuppertaler Musiker und Fotograf Wolf Hoffmann an den Gitarren. Das ist auch nach vielen Jahren immer noch ein Genuss! Bandklassiker mit eingestreuten Hoffmann-Soli begeistern das Publikum und sorgen für fröhliches Headbangen im Infield. Ein Riesenspaß.
Soziales Engagement mit „Glück in Dosen“
Glück in Dosen“: Sie ist vom Rockharz-Festival nicht mehr wegzudenken: Seit 2013 sind ist Initiative des Clausthaler „Rotaract-Clubs“ beim Festival dabei, sammelt Pfandgut für den guten Zweck. „Der Veranstalter hat damals nach einem Partner für soziale Projekte gesucht“, berichtet Jördis Heßke. „Gemeinsam haben wir das Projekt damals binnen kurzer Zeit aus dem Boden gestampft“, erzählt sie. Zirka 45 Ehrenamtliche, viele seit drei oder mehr Jahren dabei, durchstreifen die Camps der Festival-Besucher:innen und lassen sich deren Pfandgut geben. Unweit des Eingangs zum Infield ist ein markanter Stand zu finden, an dem Metalfreund:innen ihre Dosen durch ein großes Loch in einem Glück-in-Dosen-Plakat in eine Tonne werfen können. Den ganzen Tag ist hier Betrieb. Für die Zusammenarbeit mit dem Festival findet das Orgateam viele positive Worte, vor allem diese: „Das ist eine sehr coole, familiäre Kooperation“.
Noch ein paar Worte zu der Initiative „Die kommt inzwischen nicht nur Ballenstedtern zu Gute, Sondern Kinder- und Jugendprojekten in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Sechs sind es in diesem Jahr, die von den Spenden der Rotaract-Truppe profitieren, unter anderem der ASB-Wünschewagen, das evangelische Kinderhaus „Haltestelle“ und der Ballenstedter Jugendclub „Phönix“. Das kommt auf dem Festival super an: „Inzwischen kommen die Menschen konkret zu uns und nehmen das gut an“, resümiert Heßke. Mehr Informationen zu den Spendenzielen des Rotaract-Serviceclubs gibt es auf der Webseite nachzulesen.
Inzwischen (Nachtrag 11. November 2022) steht die Spendensumme des diesjährigen Projektes fest: Das Festival verkündete auf seiner Facebook-Seite sagenhafte 50000 Spenden-Euro. Die Spendenprojekte wurden zu gleichen Teilen bedacht.
Ein kurzer Ausblick auf 30 Jahre Rockharz
Um es nicht zu vergessen: Im kommenden Jahr feiert das Festival einen runden Geburtstag und wird satte 30 Jahre jung. Infos zum Billing und zum Vorverkauf finden sich auf der Festival-Webseite.
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