Herzog August Bibliothek vergibt erstmals neuen Forschungspreis
Die Herzog-August-Bibliothek (HAB) hat in Zusammenarbeit mit der Hans und Helga Eckensberger Stiftung einen neuen, internationalen Preis für kulturgeschichtliche Forschung vergeben. Er geht an Prof. Dr. Pamela H. Smith, Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Columbia University, New York. Aus diesem Anlass sprach die Preisträgerin in der Zeughaushalle der HAB über „Making and Knowing in Early Modern Sites of Industry“.
Smiths Forschungsinteresse gilt dem Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution der Frühen Neuzeit und vor allem den Wissensordnungen des Handwerks, seinen Techniken und Medien. Sie überzeugte die Auswahlkommission mit den originellen Ansätzen, mit denen sie den Beitrag der nicht akademischen Welt zur Genese von Wissen über Dinge und naturwissenschaftliche Substanzen ins Zentrum der Forschung rückt. Dabei arbeitet die Preisträgerin kollaborativ mit den Naturwissenschaften zusammen und trägt so zum interdisziplinären Dialog und einer historischen Verortung des Gegenstands bei.
Making and Knowing in Early Modern Sites of Industry
„Was kann uns die Untersuchung von Industrie- oder soziokulturellen Stätten über die Interaktion des Menschen mit der materiellen Welt sagen“, fragte sie in ihrer in Englisch gehaltenen Festrede. An diesen Stätten, so Smith, würden sich menschliche Geschichte und die ihrer Natur und Umwelt überschneiden und gegenseitig formen. „Was kann uns das über die komplexen Wechselbeziehungen zwischen menschlichen Aktivitäten und Erdsystemen sagen? In dieser Zeit der Klima- und Biodiversitätskrise benötigen wir ein viel umfassenderes Verständnis, einschließlich historischer Kenntnisse, der Wechselwirkung zwischen menschlichen Motivationen, Handlungen und Ideen und biophysikalischen Systemen“, erklärte sie.
Prof. Dr. Peter Burschel, Direktor der HAB, stellt die Verdienste der Preisträgerin schon in seiner Begrüßung heraus. „Was ich an Pamela Smith schätze, ist ihre Fähigkeit, die komplexen Transformationen des Erfahrungswissens aufzudecken: zum geschriebenen Wort, wie es der Titel einer ihrer Publikationen ausdrückt, aber auch in Bezug auf die Geschichte des Körpers“, sagte er.
Preisträgerin macht Wissenspraktiken der frühen Neuzeit erfahrbar
„Professor Smith macht uns Wissenspraktiken, Wissenschaftsmethoden und Experimentalverfahren der Vormoderne erfahrbar – ruft sie regelrecht ins Leben manueller Vollzüge sozialgeschichtlichen Alltags und hat damit einen ganz eigenen, außergewöhnlichen und weltweit angesehenen Ansatz etabliert“, unterstrich die Laudatorin Anne Eusterschulte, Professorin für Geschichte der Philosophie an der Freien Universität Berlin.
Die Festveranstaltung zur Preisübergabe wurde aufgezeichnet und ist von der HAB-Website aus abrufbar: https://www.hab.de/forschungspreis/
Der Forschungspreis
Der Preis zeichnet ausgewiesene Forscher:innenpersönlichkeiten aus, die im Bereich der Kulturgeschichte, schwerpunktmäßig zur Mediengeschichte oder Wissensgeschichte, arbeiten. Er ist mit 10.000 Euro dotiert, die von der Eckensberger Stiftung finanziert werden. Dr. Wilhelm J. Koller, Vorstand der Hans und Helga Eckensberger Stiftung, betonte die intensive Zusammenarbeit mit der Herzog August Bibliothek. Für die Stiftung, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feierte, sei die Förderung von Bildung, Ausbildung, Sozialem und Kultur von großer Bedeutung. Dabei nehme die HAB unter den geförderten Institutionen eine Spitzenrolle ein. Die Bibliothek treibe mit diesem Preis die Erforschung der genannten Themenfelder voran.
Die Jury
Die Preisträgerin wurde von Vertreter:innen der Stiftung, der HAB und des internationalen Wissenschaftlichen Beirats der Bibliothek ausgewählt.
Die Stiftung
Die Hans und Helga Eckensberger Stiftung wurde 1974 zur Erinnerung an den ersten Zeitungsverleger und Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung Hans Eckensberger gegründet. Nach dem Tode ihres Mannes übernahm Helga Eckensberger 1966 die Leitung des Verlages und führte sein Lebenswerk bis zu ihrem Tod weiter. Dem Stiftungszweck zufolge werden Kultur, Bildung und Ausbildung im Rahmen der Gemeinnützigkeit sowie bedürftige Personen in der Region Braunschweig gefördert und unterstützt. Die Stiftung verweist mit dem mediengeschichtlichen Schwerpunkt des Forschungspreises auf ihre Namensgebenden.
Pamela H. Smith
Zu den Veröffentlichungen von Pamela H. Smith zählen die Untersuchung „The Business of Alchemy: Science and Culture in the Holy Roman Empire” (1994), die den Pfizer Award der History of Science Society erhielt. Ihre Studie „The Body of the Artisan: Art and Experience in the Scientific Revolution” (2004) verbindet in wegweisender Form die Wissenschaftsgeschichte mit der Kunstgeschichte. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „From Lived Experience to the Written Word: Reconstructing Practical Knowledge in the Early Modern World” (2022). Es generalisiert und vertieft die Hypothese der Wissenschaftshistorikerin, wonach dem Nutzen und Verarbeiten von Dingen in der Frühen Neuzeit eine innovative Kraft innewohnte.
Ihnen hat unser Artikel gefallen und Sie möchten uns unterstützen? Prima! Hier entlang bitte!
Reden Sie mit!
Sie haben einen Vorschlag für eine schöne Kultur- oder Nachhaltigkeitsgeschichte? Dann nutzen Sie bitte unser Kontaktformular oder unseren sicheren Threema-Kanal. Herzlichen Dank!
Nutzungsbedingungen
Bericht